s y n h i s t a m e i n. Zusammenhänge gestalterisch denken und praktisch umsetzen. Gegen den reduktionistischen Nihilismus im Design!
Stefan Asmus2025-01-13T23:57:00+01:00Der heutige Gestaltungsbetrieb hängt nach wie vor einem auf Dingwelten und Bestandfunktionalitäten reduzierten mechanistisch-ontologischen Denken an. Der Blick auf umfassende natürliche Zusammenhänge kommt in einer auf Digitalisierung und fortschreitender Mathematisierung der Lebenswelt ausgerichteten Perspektive zunehmend abhanden; die Komplexität lebendiger Beziehungen weicht einem pseudo-objektivistischen und fragmentierenden Nihilismus, der lebendige Vorgänge auf statistisch relevante Messgrössen reduziert.
So geht das Erstaunen am Wunderbaren verloren!
Aber nicht nur das. Reduktionistisches Denken ist dem Differenzierungniveau und Beziehungsreichtum evolutionärer Prozesse nicht angemessen. Es arbeitet gegen die natürlich-evolutionäre Ausrichtung, Wert und Relevanz aus Unterscheidungen und nicht aus höheren Offenbarungen oder politischen Dogmatiken zu beziehen. Die gelebte Praxis auf der Basis des reduktionistischen Denkens lautet: Simplifizierung, Überidentitätsdogmatik, Zerstörung!
Spätestens dort, wo sich insbesondere das heutige Kommunikationsdesign jenseits der Gestaltung von Buchumschlägen, Plakaten und Webseiten mit sozialen und zivilgesellschaftlich relevanten Fragestellungen befaßt (Social Design, Civic Design), wo die digitale Transformation als gesellschaftliche Transformation begriffen und gesellschaftlicher Strukturwandel als Gestaltungsaufgabe ernst genommen wird, wächst die Einsicht in die Notwendigkeit der Bereitstellung und methodologischen Aufbereitung gestaltungsrelevanter Beschreibungssprachen, die in ihrer Eigendifferenziertheit dem Auflösungsmodus und der Tiefendimension hochkomplexer Gegenstandsbereiche und Reflexionsinstanzen möglichst weitgehend entsprechen.
Die moderne Systemtheorie bietet sich hierfür an. Sie hat sich als System/Umwelt- Theorie von früheren kybernetischen Überlegungen emanzipiert und enorm weiterentwickelt. Ihre Beschreibungssprache ist differenzorientiert und nichtontologisch. Sie ist undogmatisch, kontingent und modellhaft. Sie rückt den entfremdeten Anthropos als primäre Erkenntnisinstanz aus dem Zentrum der Weltbetrachtung in die Peripherie, wo er -wie die Objekte selbst- als Informationsträger nur im Kontext relevanter Umwelten taugt.
Systemisch-kybernetische Verfahren sind angebunden an exakte Naturwissenschaft, aber auch an eine Naturphilosophie mit metaphysischer Konstitution. Sie synthetisieren natur- und geisteswissenschaftliche Dimensionen, kombinieren Technik und Ästhetik. Sie plausibilisieren den Umgang mit offenen Welt- und Verstehenshorizonten und markieren das gestalterische Potential als risikobehaftet, modellhaft und reversibel.
Gestalter sind an der dynamischen Entwicklung, der Verbundenheit und Beschaffenheit natürlicher und künstlich-kultureller Prozesse und Artefakte interessiert, sie suchen nach Gestaltformationen im Möglichkeitenkosmos, den sie durch Überschreitung modellhaft ausleuchten. Die Überschreitung ins Unbekannte erzeugt einen Resonanzeffekt im Bekannten. Gestalter lassen den Erkenntniszugriff aufs Unbekannte mitschwingen, deshalb benötigen sie systematisch trainierten Umgang mit Beschreibungssprachen, die ihr Vorgehen begründbar machen und legitimieren.
Das gestalterische Denken und Handeln an die Exaktheit und phänomenale Reichweite der systemtheoretischen Beschreibungssprache zu koppeln, ist ein Hauptstrang unserer Bemühungen. Der zweite Hauptstrang widmet sich dem Verhältnis von Mensch, Natur und technischem Artefakt, insbesondere auch den aktuellen Prozessen der digitalen Transformation unserer Gesellschaft. Dabei ist uns wichtig, nicht nur über Medien zu reflektieren, sondern technische Artefakte als Erweiterung unserer natürlichen Anlagen zu betrachten, den Computer bis in die aktuellen Formen künstlicher Intelligenz nicht als Werkzeug, sondern als erkenntnisgenerierendes Medium zu begreifen. Gemäß dieser Perspektivenverschiebung setzt Gestaltung digitaler Medien auf technischen Algorithmen und Codierungen auf, die ihre Wirkung im Kontext kommunikativer, kultureller und künstlerischer Dimensionen entfalten. Deshalb arbeiten wir mit einem erweiterten Gestaltungsansatz, der die Dimension von technischer Codierung, bildnerisch-anschaulicher Gestaltung (Poesie), sowie digitaler kultureller Evolution umgreift und in eine relevante gestalterische Praxis überführt.
Die hier vorgestellten theoretischen Positionen, Projekte und Arbeiten geben Kunde von der Verschränkung theoretischer und praktischer Bemühungen, wie sie innerhalb des Lehrgebietes Interaktive Systeme/Systemdesign an der Peter Behrens School of Arts der Hochschule Düsseldorf systematisch entwickelt und betrieben werden.